Ich halte kurz inne und lehne mich an den warmen Fels. Ich lasse den Moment auf mich wirken, viel zu schnell vergeht meist so eine Klettersteigrunde, weil ich im Eifer das Genießen vergesse. Dabei will ich diese Runde so lange wie möglich erleben und da der Colodri-Klettersteig mit einer Schwierigkeit von B keine Herausforderung für mich ist, kann ich ihn auch in vollen Zügen genießen.
Azyklisch auf den Cima Colodri in Arco
Der Cima Colodri ist der Hausberg von Arco am Gardasee, es verwundert also nicht, wenn es hier oft bumsvoll ist. Während der 4 Wochen Elternzeit am Gardasee habe ich oft zu dieser Wand aufgeschaut und immer wieder massenweise Ferratisten gesehen. Egal bei welchen Temperaturen, egal an welchem Wochentag.
Ich wollte den Colodri aber trotz seiner Beliebtheit gerne einmal geklettert sein, denn er war der einzige leichte Klettersteig der Region, mit dem ich noch eine Rechnung offen hatte. Und – sehr praktisch- verläuft die Rundtour so, dass man auf dem Abstieg durch die Altstadt Arcos läuft – direkt vorbei an unserem Basecamp. Es war also perfekt trotz Baby den Steig machen zu können. 3 Stunden babyfrei, keine Anfahrt, keine Probleme. Als uns dann Franka für eine Woche am Lago besuchte, war es klar, dass wir den Via Ferrata gemeinsam machen würden. Ich war hibbelig vor Vorfreude! 4,5 Monate nach meiner Kugelfisch-Zeit bekam ich meinen ersten Klettersteig.
Früh raus und rauf
Sieht man das frühe Wachwerden eines Babys positiv, so hat unsere Räubertochter uns geholfen, dass wir frühs losziehen konnten und vor den Massen am Steig sein würden.
Leider hatten Franka und ich die Rechnung ohne eine deutsche Schulklasse gemacht. Urgs. Meine Horrorvorstellung. Und das jetzt.
Das untere Drittel des Colodri verbrachten wir also im Schneckentempo zwischen 14-Jährigen, die überfordert waren mit dem Fels und ich Sorge hatte, sie würden mit ihrem Gebrüll Steine loslösen. Ich wollte auch nicht zu aufdringlich sein, denn es gibt nix Ätzenderes an der Wand als jemanden, der drängelt. Zum Glück haben uns die Guides bald bemerkt und uns an einer Laufstelle passieren lassen. Es gab dann kurz ein hektisches Kletterstück, weil wir unbedingt Abstand zwischen uns und die Brüllaffen bringen wollten und dann war da der vollkommene Moment: wir. Allein. Auf dem Klettersteig. Genau meins. Unter uns das grüne Tal der Sarca.
Zugegeben, die Rufe der Schüler hab ich immer wieder ausgeblendet, klang es doch so, als würden sie den Everest besteigen müssen. Franka und ich waren aber einfach nur seelig und genossen die Spätsommersonne an dieser Ostwand.
Dass der Ausstieg oben eine B/C war, hab ich nicht bemerkt, es kam mir alles so leicht vor. Ich hab mich nur über die witzige Kunst am Fels gewundert kurz vor dem Steigende. Was hat es damit bitte auf sich? Ich schnall’s zumindest nicht.
Ausstieg, Gipfelkreuz & Abstieg vom Colodri
Ich hangle mich über die letzte Felsnase und lande auf dem Karstplateau des Cima Colodri. Der Fels ist hier von der Eiszeit gezeichnet und eine wunderschöne, zerfaserte Steinlandschaft lädt zum Verweilen ein. Nach einer Gipfelumarmung und einigen Fotos machten wir aber, dass wir schnell das Weite suchten, denn die ersten Schüler ergossen sich zombiemäßig über das Plateau („Ey, wir müssen unbedingt n Gruppenselfie machen!“)
Wir hasteten hüpfend weiter bis zum etwa 10 Minuten entfernten Gipfelkreuz auf 400m über NN und hofften, dass die Zombies sich erst sammeln mussten, um weiter zu marodieren.
Und so hatten wir eine wundervolle Pause, nur wir zwei und der Gardasee in einiger Entfernung zu unseren Füßen.
Als ich schließlich baby-hibbelig wurde, machten wir uns an den leichten Abstieg, grüßten Ziege und Schaf, die hier oben lebten und liefen an der hübschen Kapelle S. Maria di Laghel vorbei hinunter durch den Olivenwald nach Arco.
Eigentlich ist am Tourende ein Eis hier in der Altstadt obligatorisch. Wer aber meine Stories auf IG verfolgt hat, weiß, dass ich einfach bei jeder Gelegenheit Eis gegessen hab. Daher war es an dieser Stelle verkraftbar. Ich glaub, ich hab dann mittags eins bekommen.