Es war sonnenklar – für diese Tour waren wir ja so was von falsch ausgerüstet. Oder wer hat Spaß daran, einen Tourenrucksack auf einem Fahrrad zu balancieren und mit Wanderschuhen für alpines Gelände immer in die Pedale zu treten?
Erster Tipp: Niemals mit einem Tourenrucksack Fahrrad fahren.
Zweiter Tipp: Plant auf jeden Fall eine Radtour zum Strand ein, wenn ihr das nächste Mal in Norwegen seid.
Ein verrückter Plan
In der Touri-Info von Stavanger wurden uns Fahrräder angeboten, um die Gegend zu erkunden. Besonders wurden und die Jærstrände ans Herz gelegt.
Moment – Strände? In Norwegen? Mit Sand und so?
Vielleicht ist das etwas naiv, aber damit hatte ich nicht gerechnet und war natürlich sofort Feuer und Flamme. Wir beschlossen, eine Tour von zwei bis drei Tagen zu machen, um genug Zeit zu haben, aus Stavanger herauszukommen und mit einem großen Bogen wieder in die Küstenstadt hineinzuradeln. Der Plan war, vom Jedermannsrecht Gebrauch zu machen und uns gemütlich am Strand niederzulassen.
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Strandspaziergang in Gesellschaft |
Die North Sea Cycle Route
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Logo der North Sea Cycle Route |
Direkt durch die Innenstadt Stavangers führt der Nordseeküstenradwegund bot uns damit einen perfekten Start für unsere Tour. Ein dunkelblaues Fahrrad auf hellblauem Grund ist das offizielle Logo des mit rund 6000km längsten offiziellen Radwegs der Welt. Er führt durch insgesamt acht Länder und umreißt damit im Groben die Nordsee zwischen England und Norwegen. In Norwegen hält man sich an die braunen Schilder mit „Nordsjø“, um auf der richtigen Route zu bleiben. In der Touri-Info gibt es zusätzlich eine kostenlose Radkarte für die Region Stavanger, in der auch alle weiteren Radwege eingezeichnet sind. Verwundert, dass es weitere Radwege gibt? Ich war es auf jeden Fall, aber die Norweger fahren in dieser Gegend wirklich viel mit dem Rad.
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Sverd i Fjell |
Durch ländlich-romantische Hügelketten am Meer entlang
Wir hatten wirklich Glück mit dem Wetter. Eine leichte Brise begleitet uns an allen Tagen der Tour und fast
beständig schien die Sonne auf unsere vom Radeln erhitzten Gesichter. Mit dem Tourenrucksack zu radeln ist nämlich auf Dauer echt anstrengend, aber ein gutes Ganzkörper-Workout. Die Armmuskeln werden nämlich auch trainiert, weil der Rucksack ständig auf den Rücken drückt und die Arme so immer unter Anspannung stehen.
Aber die Ausblicke entschädigen definitiv für diese Strapazen. Je mehr Kilometer wir hinter uns bringen und immer weiter aus der Stadt herauskommen, desto öfter erhaschen wir einen Blick auf das blauglitzernde Meer. Unsere Vorfreude steigt. Die Landschaft besticht mit ihrem ländlichen Flair und den vielen süßen Norwegerhäuschen. Überall stehen Kühe herum und glotzen uns gelangweilt nach.
Unsere erste Rast legen wir an den berühmten
Sverd i Fjell ein – drei überdimensionierte Schwerter, die an die Vereinigung Norwegens unter Harald Schönhaar im Jahr 872 erinnern.
Die weitere Route führt uns immer weiter ans Wasser heran – gleichzeitig bedeutet dies aber leider auch, dass man bei vielen Streckenabschnitten die Hauptverkehrsstraßen nutzt. Das Gute ist, dass die Norweger wirklich viel von Radwegen verstehen – an jeder Kreuzung gibt es Unterführungen und die Beschilderung ist ausgezeichnet. Aber die vielen Autos und der damit einhergehende Lärm brechen ein wenig den idyllischen Eindruck, den man auf dieser Strecke gewinnt. Immer wieder biegt die North Sea Cycle Route aber ab auf weniger befahrene Straßen. Hier kann man dann die Ruhe wieder einfangen, die man vorher gesucht hat. Vorbei an vielen Höfen und Feldern steigt einem der Duft des Meeres immer wieder in die Nase. Man fühlt sich so frei.
In Sola halten wir an der Kirchenruine an und flanieren durch die alte Anlage. Das Meer ist von hier aus fast greifbar. Immer weiter folgt das Auge dem Radweg, wie er sich über die Hügelkuppen schlängelt. Mist – so viel Auf und Ab hatte ich hier nicht erwartet.
Witzigerweise führt der Weg am Flughafen von Stavanger vorbei – erst vor ein paar Tagen sind wir hier gelandet und haben gar nicht wahrgenommen, dass es hier so sandstrandig ist. Direkt hinter dem Gelände beginnt nämlich der Solastrand – ein sehr beliebter Ausflugsort für viele Norweger zum Baden und Surfen. Dementsprechend ‚warnte’ man uns auch vor diesem Strand, da er viel zu überlaufen sein sollte. Unsere mittlerweile etwas müden Beine pedalieren also fleißig weiter. Unser Tagesziel ist nämlich der Ølbergstrand etwas weiter südlich. Eine süße kleine Bucht in ruhiger Lage und einladenden Dünen.
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Sonnenuntergang am norwegischen Strand |
Premium-Schlafplatz in den Dünen
Und es ist wirklich so perfekt, wie wir es uns erhofft hatten. Wir sind direkt am Meer, es ist nicht viel los und der erste Kaffee auf der Düne schmeckt einfach wunderbar. Auf dem angrenzenden Parkplatz gibt es sogar ein Toilettenhäuschen mit Waschbecken – Luxus pur! (Man beachte nämlich, dass man am Strand so schlecht Süßwasser bekommt). Fast ungestört können wir Strandläufer beobachten, in der Nordsee baden gehen und abends den „Hausberg“ erklimmen.
Nur der eine Mann irritierte mich etwas. Ich kann kein Norwegisch, aber als er vor mir stand, die Hose halb vom Hintern und mich fragte „Naturist?“, war mir klar, dass er nicht nach Kaffee gefragt hat. Nein danke, Monsieur. Ich bin kein FKK’ler.
Am nächsten Tag machen wir uns zu einer kleinen Strandwanderung bis zum Vigdelstrand auf und staunen nicht schlecht, als eine Kuhherde am Nachmittag unser Zelt neugierig beäugt. Unsere Beschäftigung bis zum Abendessen hieß dann also: Sturheit vor Kühen beweisen. Keinen Meter zurückweichen und so das Zelt verteidigen. Mensch, sind die neugierig und dreist. Die lassen sich nicht so einfach vertreiben.
Zurück in die Zivilisation
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der lila Packesel ist unterwegs |
Für unseren Rückweg nach Stavanger wählen wir die North Sea Cycle Route über Sandnes aus und erhoffen uns schöne Panoramablicke auf den Gandsfjord. Zu Anfang fahren wir auch wieder durch schöne ländliche Gegenden, an Gehöften vorbei, bis wir schließlich nach Sandnes kommen. Ab hier führt der Radweg leider wieder allzu häufig an der Hauptverkehrsstraße entlang und viele Aussichten auf den Fjord erhaschen wir auch nicht, da uns Häuser den Blick versperren. Aber immerhin wird man häufig durch schöne Wohngegenden geführt und kann sich wunderbar die norwegische Architektur anschauen.
Kurz vor dem Ortsteil Vaulen fährt man noch einmal direkt am Fjord entlang. Endlich finden wir hier auch eine schöne Stelle zum Rasten – es ist einer der Badestrände für die Städter. Nach dieser Stärkung sind wir rasch wieder in Stavanger und immer noch voller Staunen, dass wir zwei Nächte am Strand gezeltet haben und norwegischer Sand unter unseren Wanderschuhen geknirscht hat.