Mir war überhaupt nicht klar, dass vor Wales‘ Küste immer und gerne Kajak gefahren wird. Die Waliser sind da wirklich schmerzfrei und düsen das ganze Jahr in Kajaks durch die See, egal wie kalt es über oder im Wasser ist. Sofort war ich Feuer und Flamme – zumal Ende August die Zeit gut war, um Robben vor der Küste sehen zu können. Was ich nicht wusste: ohne Helm kommt man nicht aufs Wasser. Ähm, whaaaat? [Werbung]
Aber zurück auf Anfang. Ich wurde eingeladen von PreseliVenture, einem Adventure-Centre in Pembrokeshire, einen halben Tag mit ihnen die walisische Küste im Kajak unsicher zu machen. Wir waren eine Gruppe von 13 abenteuerlustigen Leutchen jeglichen Alters und mit ganz unterschiedlichen Erfahrungsstufen, was das Paddeln angeht. Die erste Lektion bekamen wir noch vor dem eigentlichen Kajaken: die wichtsten Accessoires beim Seekajaken in Wales sind Schwimmweste, Neoprenanzug und Helm. Ja genau, jeder bekam einen Helm aus dem großen Lager, das in einer umgebauten Scheune untergebracht ist. Dort stapeln sich Kajaks, Helme, Neoprenschuhe und -anzüge neben Spritzschutzdecken und Doppelpaddel. Mit großen Augen bestaunte ich das viele Equipment und lauschte den ersten Einweisungen unseres walisischen Guides.
Und so war es dann im ersten Moment doch etwas befremdlich mit Kopfschutz in See zu stechen, aber der ist in Wales absolut sinnvoll, wenn wir die Klippen und Höhlen vor der Küste erkunden wollen.
Vom urigen Hafen ab auf die See
Abercastle. Unhektisch, unspektakulär, unbedingt hinfahren. Das Dorf mit dem kleinen Hafen direkt am Pembrokeshire Coast Path versteckt sich erfolgreich vor den großen Touriströmen. Hier gibt es nicht viel, immerhin das Carreg Samson Hügelgrab. Aber keine großen Cafés, Aussichtspunkte oder auch nur einen großen Parkplatz. Als wir mit dem Van von PreseliVenture samt Bootsanhänger die Straße herunterrumpeln, sind die 10 Parkplätze bereits belegt. Mit gemeinsamen Kräften hängen wir den Hänger ab und suchen uns alles Equipment zusammen. Wuselig ist es nun am Strand des verschlafenen Dorfes; die Seeluft riecht nach Abenteuer, ich freue mich so unglaublich aufs Kajaken und hoffe, dass wir Robben sehen!
Mein Neoprenanzug ist mittlerweile warm geworden, er fühlt sich auch schon an wie eine zweite Haut. Perfekt gegen den Wind, an diesem Morgen ist das Wetter durchwachsen walisisch. Ein Traum!
Letzte Instruktionen: „Und was ist das Zeichen für Hai-Alarm?“
Bald liegen hübsch aufgereiht 15 bunte Einzelkajaks am kieseligen Strand und hüpfen bojengleich auf den ersten Wogen, sie wollen in See stechen. Anders als damals im Lysefjord muss ich hier ganz alleine paddeln – jeder hat einen Einer. Und ich dann so mit Kamera, Camcorder und Paddel ab ins Kajak. Das zusammen zu koordinieren und nicht gegen die Felsen zu schippern, kann ja gut werden. Die anderen staunen nicht schlecht, was ich an ‚Technik‘ auffahre.
Unser Guide erklärt uns die wichtigsten Paddelbewegungen und wie wir so theoretisch von einem Fleck zum anderen kommen. Unsere Gruppe veranstaltet derweil lieber eine Massenkarambolage. Wie gut, dass es sich beim Paddeln etwas verteilen wird. Eine letzte Frage vor dem Start kommt von einem Mann aus Cornwall: „Und was ist das Zeichen für Hai-Alarm?“ – Unser Guide nur ganz trocken: „Das Zeichen ist, dass wir Dir aus weiter Ferne winken und schon weg sind.“
Ich mag die Waliser. Ein entspanntes Völkchen, die ihre Region lieben und deren Humor definitiv trockener ist als ihr Wetter.
PreseliVenture bietet das ganze Jahr Seekajak-Touren an. Auf meine Frage, ob das nicht zu kalt würde oder das Wetter zu rau, meinte unser Guide nur: „Dafür haben wir ja einen Neoprenanzug und im Notfall auch Neoprenhandschuhe.“ Hier benötigt man keinen Slogan wie ‚Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“, hier geht man einfach raus, wenn man Lust hat. Punkt.
Nachdem sich unser Kajak-Knurbsel entwirrt hat, schippern wir im betrunkenen Gänsemarsch hinter unserem Guide her. Auf offenem Meer zu fahren, ist auch mit den kleinsten Wellen etwas ganz anderes als auf einem See oder im Fjord zu fahren. Mein Schlingern zeugt nicht gerade von Können, also möchte unser Guide auch mir die Finne herunterlassen, sodass ich leichteer lenken kann. Ich weigere mich – hallo, sonst lerne ich es ja nie! Ich glaube nicht, dass ihn meine Aussage beeindruckt hat, aber ich bilde es mir ein und bin stolz wie Oskar, dass ich finnenfrei auf dem Meer gepaddelt bin.
Kleine graue Nasen und große schwarze Augen
Die Steilküste ist von hier unten verdammt imposant. Mit den Augen suche ich Pfade, Tritte oder irgendwas – kann man hier entlangklettern? Möwen nutzen jeden kleinsten Vorsprung, um sich meckernd niederzulassen und und uns wie Geier zu beobachten. Wir umrunden Felsnase für Felsnase, umpaddeln kleine Steingruppen im Wasser und lassen uns vom Wind treiben. Zwei Wochen vor uns lag auf einem der kleinen Vorsprünge ein junges Robbenbaby – das wird jetzt nicht mehr da sein, aber vielleicht sehen wir ein paar andere. Neben Kamera, Camcorder und Paddel halte ich Ausschau nach kleinen grauen Nasen, die sich knapp unter der Wasseroberfläche verstecken.
Ich finde es toll, mit einem Guide unterwegs zu sein – er kennt die Ecken, an denen sich die Robben oft herumtreiben, kann uns Tipps geben beim Paddeln und kennt viele Geschichten aus der Region. Wir nähern uns einer kleinen Felsbucht mit mehreren kleinen Höhlen. „Immer rückwärts reinpaddeln, passt auf eure Köpfe auf, und versucht, so tief wie möglich in die Höhle zu fahren“, unser Guide hat sichtlich Spaß daran, wie wir alle wie ein Pfropfen rückwärts in die Höhle paddeln, uns verheddern, lachen, staunen. Höhle voll. Fröhlich paddelt der Propfen wieder aus dem Dunkel heraus.
Und siehe da: es stimmt einfach – Robben sind neugierig wie nix! In einer dunklen Höhle, nicht weit von uns, taucht immer wieder eine Bowlingkugel auf, die großen schwarzen Augen blicken uns neugierig entgegen, dann verschwindet er wieder lautlos unter Wasser. Ich jauchze kurz, zücke Kamera, Camcorder und Paddel zugleich und ab dafür! Unser Guide weist uns an, wie nah wir der Robbe kommen dürfen – er weiß, wie sie sich verhalten. Wir versuchen immer wieder unsere Kajaks möglichst gerade auszurichten, um den schnellen Schwimmer nicht aus den Augen zu verlieren; es gelingt mir nur sehr bedingt.
Irgendwann hat sich die Robbe verdünnisiert und wir paddeln gemütlich weiter. Es ist wirklich nicht so einfach als Gruppe zu paddeln und auch immer wieder kleinen Felsnasen auszuweichen, die aus dem Wasser ragen. Wie gut, dass die Kajaks aus Hartplastik sind und kleine Schrammen nicht soooo schlimm sind.
Helm festzurren und einmal unter der Insel durchpaddeln, bitte!
Auf dem Rückweg erleben wir noch ein kleines Abenteuer der besonderen Art – als hätten die Eindrücke nicht schon allemal gereicht. Kurz vor unserem Hafen ragt eine kleine Insel aus dem Wasser, die wir zu Beginn der Tour haben links liegen lassen. Jetzt ist der Pegelstand aber wohl perfekt: unter der Insel führt ein Tunnel durch – bei genau richtigem Tidenstand und perfektem Timing kann man hier mit dem Kajak einfach durchpaddeln. Oder wohl eher, sich durchziehen.
Der natürliche Tunnel ist so schmal, dass ich das Paddel lieber aufs Boot lege und mich mit den Händen am Fels weiterziehe. Der Helm macht definitiv auch hier Sinn. Es ist so schwummrig, dass ich nur Schemen sehe und die Felsen von oben mit dem Helm mitnehme. Kurz erschreckt. Und dann Grinsen! Was für ein cooles Abenteuer! Ich sehe schon das Ende des Tunnels, die Kajaks unserer Gruppe, die davor herdümpeln wie zu groß geratene Bojen. Das mit dem Geradeausfahren bekomme ich natürlich auch im Tunnel nicht so hin, nach einigem Herumnavigieren und Freistrampeln habe ich dann aber das andere Ende der Insel erreicht. Was für eine Gaudi!!!
Einigermaßen geordnet fahren wir wieder in den Hafen ein. Meine Arme sind ein wenig müde, mein Equipment nass (aber wasserdicht). Ich habe mindestens drei Robben gesehen und bin unter einer Insel durchgepaddelt.
In der öffentlichen Toilette ziehen wir uns alle um, hinterlassen viel Nass und Sand dort. Zum Abschluss, bevor wir wieder zu PreseliVenture düsen, bekommen alle noch einen warmen Kakao. Herrlich! Genau sowas habe ich jetzt gebraucht.
Vielen lieben Dank an PreseliVenture für die Einladung, meine Meinung bleibt wie immer meine eigene.