Hast Du Angst vor’m Berg? Die XX-treme Caving-Tour der Kluterthöhle

Die Finger krallen sich in den kalten Lehm. Nicht zum ersten Mal fühlen die aufgeschürften Handflächen nun kantige Steine, die sich unerwartet in die Finger bohren wollen. Der Lehm knirscht auch zwischen den Zähnen – Lufttherapie, bah. Dafür bin ich nicht hier.
Keuchend hebe ich den Kopf ein Stück, nur ein kleines Stück – die Gefahr, mit dem Helm an den Fels zu stoßen ist allgegenwärtig, genauso wie das Wissen, dass sich über mir Tonnen und Abertonnen Gestein befinden.
Der ganze Berg ist ein versteinertes Korallenriff – alt wie die uralte Morla ist er, ich verliere jedes Zeitgefühl.
Es zählt, was vor einem passiert. Kopf drehen, ducken, Hände vorstrecken, mit den Füßen Halt finden, den Körper weiter und immer weiter durch Felsspalten zwängen, den Kontakt zum Vordermann nicht verlieren, Befehle weitergeben an den Hintermann. Die Passagen werden immer enger, aber es passt, es muss passen – alle Männer vor mir haben auch durchgepasst.
Wo bin ich?
Ich bin in der Kluterthöhlein Ennepetal unterwegs. Hier gibt es ein etwa 5,5km langes Ganggeflecht aus über

300 Gängen in denen immer mal wieder Entspannungsliegen stehen als Erholungsort für Asthmatiker. Und wo war ich? Immer zwischen den Hauptgängen. Im tiefen Bauch des Berges, wo die Spalten nur nacheinander gang- und krabbelbar sind – ich bin unterwegs auf der 3-stündigen XX-treme Tour.

Wir sind eine Gruppe von 14 Neugierigen. Andreas und Dennis unsere beiden Guides schmunzeln schon seit Beginn über unseren Feuereifer. Im Laufschritt haben sie uns vorhin in den Berg gejagt, „damit wir schon mal warm werden“. Hier herrschen immer rund 10°C – also nicht viel anders, als es gerade draußen ist. Auf Andreas’ Tipp hin habe ich meine Softshell in der Umkleide gelassen – bei Höhlenluft fängt man wohl sowieso früher an zu schwitzen, was ich auch schon nach dem ersten Lauf merke. Kalt wird mir auf dieser Tour nie.
Platzangst hat hier keinen Platz
Es ist ein Kribbeln, eine nicht endende Neugierde – das Adrenalin. Wie wahnsinnig pumpt es durch meinen Körper, denn die Herausforderungen sind nach jeder Kurve, nach jedem Abbiegen wieder so unerwartet. Wir krabbeln nacheinander weiter in den Berg hinein, der Gang wird immer enger, die Stimmen der anderen vor mir rasch dumpfer. Erst kann ich noch krabbeln, dann mich nur noch mit Ellenbogen und Füßen weiterbewegen. Unser Tross stockt, denn jeder erklärt seinem Hintermann, wie er wieder zum Ausgang kommt. Der Ausgang ist nur dadurch zu erreichen, dass man sich aus dieser Lage in ein Loch im Boden herablässt und unter dem oberen Gang seinen Weg wieder krabbelnd zurück macht. Ja genau – ein Loch. Ein Loch mit lehmig-glitschigem Rand, keinem Platz nach oben, jede Körperbewegung muss überlegt sein, sonst kann es passieren, dass man feststeckt oder dass man abrutscht und dem Vordermann auf den Kopf fällt. Die Truppe hält sich gut, wir kommen alle durch. Nur einer steckt manchmal fest, er ist etwas groß – sein Bruder tritt ihn mehr oder weniger sanft wieder frei, sodass niemand in Panik ausbrechen muss. Ich glaube, wir sind eine toughe Gruppe.

Der Wiedergeburtskanal
Besonders schön ist der Wiedergeburtskanal. Jeder von uns hat diesen Weg schon einmal durchmachen müssen – dieses Mal ist es einem aber wirklich bewusst. Bevor man hineinkrabbelt, muss man sich entscheiden, ob man beide Arme nach vorne nehmen möchte oder einen vorn, einen hinten – ist man nämlich erstmal drin, kann man seine Position nicht mehr ändern. Sogar für mich wird es irgendwann eng, als es schließlich um eine Kurve geht, in der man sich zweimal überlegen muss, wie man durchpasst, ohne dass die Wirbelsäule sich verkantet. In Schulterhöhe kraucht man am Ende dieses Kanals aus der Wand. Nur Helm und erschöpfte Arme sind von mir zu sehen – ich bitte die Jungs, mich rauszuziehen, das war eine schwere Geburt. Bei diesem Trip hat ein Kerl mal seine Hose und seine Unterhose verloren – er wurde auf dem Bauch rausgezogen und es war wohl leicht unangenehm, aber immerhin war er draußen.

Dunkel war’s im tiefen Bauch

Und dann kommt die Passage ohne Licht.
Statt meiner Stirnlampe bekomme ich ein Seil mit Schlaufe an der einen Seite und Karabiner an der anderen Seite in die Hand gedrückt. An einem Stahlseil entlang führt unser Guide uns dann durch den nachtschwarzen Berg. Sie verraten uns weder, wie lang der Weg ist, noch, was uns genau erwartet. Wir sind mehr denn je darauf angewiesen, dass die Gruppe zusammenhält, dass keiner Panik bekommt und sich alle gut über Hindernisse und Vorgehensweisen verständigen. Meine Hände werden zu meinen Augen, meine Knie verlieren nie Bodenkontakt, selbst wenn ich keinen Fels über mir spüre. Immer am filigranen Seil entlang durch die Dunkelheit. Ich höre die anderen vor und hinter mir, taste immer nach dem Gummistiefel meines Vordermanns.
Und ja, es macht Spaß verdammt! Die Gruppendynamik ist unglaublich!
Als wir dann endlich unsere funzeligen Stirnlampen wiederbekommen, erscheinen sie uns supernovahell. Handflächen und Knie fühlen sich schon arg wund an, ich schmecke Lehm in meinem Mund. Langsam bin ich wirklich erschöpft und müde.
Unsere Guides zaubern irgendwann auf der Tour einen Picknickkorb hervor – es ist wie ein Segen:
Energydrinks, Cornys und kleine Feiglinge (ey, warum eigentlich „Feigling“, wir sind echt gut drauf!). Nach dieser Stärkung packt mein Körper auch noch einen letzten engen, niedrigen und ins Ungewisse führenden Gang. Als wir wieder auf den Hauptweg treffen und die laue Abendluft spüren durchströmt mich ein wunderbares Glückgefühl! Ich hab’s geschafft. Wir sind durch! Ich habe meine Erfahrungen im Berg gemacht, wo ich doch sonst eher auf den Steinen oberhalb herumturne.
Zum Abschied gibt es noch eine Urkunde und einen guten hochprozentigen ‚Höhlentropfen‘ – der ist mehr als verdient. Voller toller Eindrücke und Erfahrungen quatschen wir noch fröhlich mit den anderen. Ich bin erstaunt, wie schnell so eine Gruppe sich fremder Menschen zusammenwachsen kann. Leute, ich wird euch wahrscheinlich nie wieder sehen, aber ihr ward eine tolle Gruppe! Danke Birk für’s Vorangehen in der Dunkelheit, du warst ein guter Gummistiefelmann.

FAQs
Wie fit muss ich für die XX-treme Tour sein?
Sportlich fit sollte man sein, sodass Kraxeleien kein Problem sind.
Muss ich eine bestimmte Ausrüstung mitbringen?
Nur festes Schuhwerk (am besten Bergstiefel). Helm, Lampe und Overall werden gestellt. Unter dem Overall reicht es, ein Longsleeve zu tragen: es schützt die Arme und der Overall liegt nicht direkt auf der Haut auf. Als Hose eignet sich eine robuste und nicht mehr ganz neue Jeans – sollte der Overall reißen, hat man immer noch die Jeans zwischen Haut und Fels.
Wann sollte ich die Tour nicht machen?
Wenn Du Platzangst hast. Ganz eindeutig. Es wird echt verteufelt eng in diesem Berg.
Ist es immer die gleiche Tour?
Nein. Je nach Gruppe und Laune der Guides wird immer eine andere Tour gemacht. Manchmal „nur“ mit Kraxeleien wie bei uns, bei kleineren Gruppen auch mal mit Abseilaktionen. Es lohnt sich also, mehrmals dort mitzumachen.

3 Kommentare zu “Hast Du Angst vor’m Berg? Die XX-treme Caving-Tour der Kluterthöhle

  1. Hi Corinna,

    absolut genial geschrieben – ich kann mich nur anschließen. Die Führung war super und die Gruppe echt gut drauf. Es war besser, als ich es mir hätte vorstellen können.

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