Ein halber 3000er – Abbruch der Tour zum Pic d’Estats in den Pyrenäen

 

Ich wollte so gerne diesen Sommer einen 3000er unter meinen Wanderstiefeln wissen. Hoch hinaus, so hoch die Füße tragen. 

Genau dieses Thema hat mich vor meinem Frankreich-Urlaub schon beschäftigt. Damals glomm noch der Wunsch in mir, den höchsten Berg der Pyrenäen zu besteigen.

Umdenken – auch andere Berge sind schön

Mich hat die Besteigung des Pico de Aneto aber deswegen abgehalten, weil man  dort auf einer Wanderautobahn sondergleichen läuft. Musste das sein? Nur um den höchsten Berg dort bestiegen zu haben? Ich habe mich dagegen entschieden und geschaut, welche Berge es sonst noch in den Pyrenäen gab.
Aha, da gab es noch den Pic d’Estats – der höchste Berg Kataloniens und der östlichste 3000er der Pyrenäen – ganz ohne Superlative wollte ich dann doch nicht nach Hause fahren. Mit seinen 3143 m machte er einen sehr stattlichen Eindruck, war aber gut machbar.
Wolken sind Freunde, wenn sonst die Sommersonne sticht

Neuer Berg, neues Glück

Von der Idee begeistert, sammelte ich alle Infos über die Tour (wie zB hier), die ich kriegen konnte. Man kommt von der französischen Seite aus an den Gipfel, das erspart es einem schon einmal, erst um das komplette Massiv herum fahren zu müssen. Allerdings startet man ziemlich tief am Berg und hat bis zum Gipfel 1800 Hm zurückzulegen. Uff.
Kurze Lichtblicke lassen meine Motivation wieder jauchzen
„Was wollt ihr denn heute hier?“ – Gute Frage!

Auf halber Strecke zwischen Parkplatz und Gipfel gibt es eine Hütte, das Refuge du Pinet. Wunderbar, dann teilen wir doch einfach die Tour. Steigen am ersten Tag bis zur Hütte, am zweiten dann komplett hoch und direkt wieder runter.
Was ich nur vergessen hatte – auch französische Hütten können ausgebucht sein. Und so war es dann leider auch: keine Chance innerhalb unseres möglichen Zeitfensters von einer Woche eine Übernachtungsmöglichkeit zu bekommen. Schade Schokolade.

Dann eben mit Gewalt?!

Na ja, aber man kann die Tour ja auch an einem Tag schaffen. Möglich ist es, zutrauen tu ich es mir auch. Wird zwar Geochse, aber das war es mir wert. Ich will euch hier ja auch anständige Touren präsentieren.
Der Morgen unserer Besteigung empfing uns mit dickem Nebelgewaber. Keine Sicht, niente. Der Wetterbericht versprach aber Besserung. Wir freuten uns sogar über die Wolken, da sie uns beim Aufstieg Schutz vor der heißen August-Sonne bieten würden. Wolken sind Freunde!
Guten Mutes begannen wir unseren Aufstieg. Was soll ich sagen – die Höhenmeter zogen sich hin, die Wolken rührten sich hingegen kaum. Es wurde immer später und mit jeder verstreichenden Minute wuchs meine Sorge, dass das heut nix mehr wird. Kurz aufreißende Wolkenberge ließen mich immer wieder Hoffnung schöpfen, nur um dann noch dichter wieder zuzuziehen. Immer wieder hatte ich die Tour zum Geigelstein von Steffi Gipfelglückim Kopf – es musste alles gut werden!
Überlegen, denken, abwägen… und dann doch umkehren.

Die neblige Erkenntnis und die Umkehr

Als wir den halben Aufstieg gepackt hatten, haben wir das Refuge fast verpasst. Der Nebel hat uns so viel Sicht genommen, dass wir den Schemen nur gesehen haben, weil dort jemand herumlärmte. Und langsam, wurde es zur Gewissheit, dass die Wolken sich heute nicht mehr verziehen würden. Morgen, ja, für morgen war Sonnenschein angesagt. Half uns aber in dem Moment nicht viel. Machte eher noch unzufriedener. Schweren Herzens drehten wir um. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass es richtig war. Mein Herz war aber gar nicht einverstanden.

 

Andere steigen zur Hütte auf, während wir den Abstieg in Angriff nehmen
Am Refuge du Pinet gibt es viel Nebel… links fängt der See übergangslos an

Der Abstieg war lang, kalt und ereignislos. Aber was soll ich sagen – im Tal erwartete uns die schönste Überraschung, die ich mir wünschen konnte! Sonnenschein und Schmetterlinge!
Der Pic d’Estats hüllte sich weiterhin in graues Schweigen, aber im Tal plätscherte fröhlich der Artigue im Sonnenschein dahin. Ich hätte jauchzen können vor Freude. Es war hier an den Cascades de l’Artigue einfach so wunderschön und entspannend. Wir mussten die Besteigung abbrechen… so what?!
An den Cascades de l’Artigue blüht mein Outdoor-Herz wieder auf

Gutes Bauchgefühl – richtige Entscheidung

Ich habe noch ca. einen Tag gebraucht, um richtig zu verstehen, warum die Entscheidung korrekt war. Es war die Summe aus verschiedenen Aspekten: Wetter, Motivation, Bauchgefühl. Und wozu auf einem 3000er stehen, wenn man dort keine 5 Meter weit sehen kann? Dann komme ich lieber eines Tages wieder und versuche die Besteigung erneut!
Die Cascades de l’Artigue in purem Sonnenschein

 

Beglückendes Sommerwetter im Tal des Artigue
Extra-Tipp: Im Gespräch mit vielen Franzosen am Berg kam heraus, dass viele biwaken, um zum Gipfel zu kommen. Bedeutet hier, dass jeder sein kleines Zelt(!) mitnimmt und zwischen 19 und 9 Uhr sein Nachtlager aufschlägt. Das wird hier in der Region geduldet, weil es kein Nationalpark ist. Fürs nächste Mal wissen wir das auch und sind dann dementsprechend vorbereitet.
Füße baumeln lassen – Seele entspannen

 

Der Pic d’Estats hüllt sich auch am Nachmittag in dicken Nebel

4 Kommentare zu “Ein halber 3000er – Abbruch der Tour zum Pic d’Estats in den Pyrenäen

  1. Hallo Corinna,

    ich kann das Gefühl sehr gut nachvollziehen. Das ist ein kleiner innerer Kampf, wenn man Nein sagt, obwohl man mit dem Herzen eigentlich ein Ja will.
    Uns ging es damals in den Pyrenäen genau wie Euch. Es gibt aber viele gute Gründe für ein Nein und eine 2. Chance, als für ein Ja, das vielleicht etwas Endgültiges haben könnte!
    So war es bei uns: http://luftschubser.de/pic-de-campbieil-pyrenaen/

    Ihr habt es richtig gemacht!

    cheers
    Alex

    1. Hey Alex,

      ihr hattet ja eine ähnliche Situation und seid aus ähnlichen Gründen umgekehrt. Immerhin habt ihr die 3000er Marke gebrochen :-)
      Danke für deine Einschätzung, dass wir richtig gehandelt haben. Denn ich sehe es genauso- lieber einmal mehr umkehren als nie mehr umkehren. Hart gesagt, aber kann ja passieren.

      Lieben Gruß,
      Corinna

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