Noch mal schnell zum Preikestolen: Quasi-Trailrunning zur norwegischen Felskanzel

Eine leichte Brise weht mir um die Nase, die Sonne entspannt meine brennenden Beine. Wir sind am legendären Preikestolen angekommen – in einer Wahnsinnszeit! Ich bin so stolz auf mich!

Mit der Fähre zum Preikestolen

 Aber geplant war das nicht. Im Grunde wollten wir unseren letzten Tag in Norwegen einfach mit einer schönen Wanderung abschließen. Der Preikestolen bot sich als nicht allzu lange Wanderung dafür an.
Von Stavanger aus kauften wir uns ein Kombi-Ticket, mit dem wir erst mit der Fähre nach Tau fuhren und dann mit einem Bus bis zum Parkplatz unterhalb der Felskanzel kutschiert wurden. Wenn man ohne Auto unterwegs ist, ist diese Möglichkeit die komfortabelste. Der Rückweg war nämlich auch schon im Preis drin. Der einzige Nachteil ist, dass man immer im Pulk loswandert, der sich im Bus befunden hat.

Aber uns ging es beileibe nicht darum, mit den anderen zu wandern. Wir ließen uns Zeit, gingen noch einmal auf Toilette, füllten unsere Wasservorräte auf und atmeten einmal durch. Dann mal los.

Wegrennen vor der Masse

Wenn man auf einer Wanderautobahn unterwegs ist, muss man sich immer wieder bewusst machen, dass es nicht darum geht, dem Gruppenzwang nachzugeben und im Tempo irgendwelcher anderer zu laufen. Allzu schnell verfällt man in ein Tempo, das sich dem Vordermann anpasst. Und wenn das asiatische Mädchen in Minirock und Turnschuhen vor einem nicht so schnell ist, dann ist man selber genauso lahm unterwegs.

 

Oder aber… oder aber man denkt sich, „okay… die überhole ich noch… ach komm, die sind auch etwas langsam…“
Es wird zum Selbstläufer. Ehrlich. Die treibende Kraft war unser eiserner Wille. Schneller sein als alle anderen. Ungläubige Blicke ernten, weil man im Laufschritt ganze Pulks überholt – bergauf.

Speed-Hiking oder Trailrunning

Ich weiß nicht, wie es sich nennt. Ist mir auch egal. Hauptsache rauf, Hauptsache schneller als die anderen!
Die Landschaft flog an uns vorbei und tief in mir wuchs ein Gedanke, der immer größer wurde. Ich wollte die Strecke in der Hälfte der angegebenen Zeit schaffen. Unbedingt. Es wäre so ein Ego-Booster! Also weiter.
Ein Mann hing sich an uns dran. Ich hörte ihn hinter mir immer schwerer atmen – mir ging es nicht anders. Aber ich hatte mehr Willensstärke – irgendwann wurde sein Schnaufen leiser. Abgehängt. Yai!
Es ging über Hochmoore und steinerne Treppen immer weiter bergauf. Die Mittagssonne bescherte uns mächtig viel Schweiß und eine wunderbare Aussicht. Aber dafür würden wir auf dem Rückweg richtig Zeit haben. Es ging darum, ein Ziel zu erreichen. Eine Stunde. In einer Stunde wollte ich so gern oben sein! Also weiter.

Bitte trotzdem Rücksicht nehmen

An manchen Stellen war es besonders schmal, nur ein kleines Geländer trennte uns vom Abgrund. An solchen Engpässen haben wir immer Rücksicht auf die andern Leute genommen. Aber es kribbelte uns in den Füßen, auch an denen vorbeizuziehen und weiterzulaufen. Immer weiter.

Volksfest am Preikestolen

Noch um die letzte Kurve herum und da sahen wir sie, die Felskanzel. Erst wenn man kurz davor ist, öffnet sich der Blick und der platte Fels liegt vor einem. Und auf dem Felsen noch mehr Menschen. Wie ein Volksfest ging es hier rund.
Aber das machte uns nichts aus. Mit hochrotem Kopf gesellten auch wir uns unter die Besucher. Ein Blick
auf die Uhr zeigte mir – GESCHAFFT! Wir hatten exakt eine Stunde gebraucht! Ich hätte tanzen können! Was für ein bombastisches Gefühl!!!
Nach den obligatorischen Fotos ließen wir uns zu einem Mittagsschmaus nieder und beobachteten die anderen. Das macht mindestens genauso viel Spaß, wie das Rauflaufen. Der Preikestolen hat einen Riss in sich – irgendwann wird diese Felsnase in die Tiefe stürzen. Bis dahin kann man sich aber in die Spalte hocken und witzige Fotos aufnehmen. Und der Ausblick war fantastisch. Ohne zu viel Dunst konnten wir den Lysefjord bis zum Ende erblicken. Das kleine Lysebotn lag in wohligem Sonnenlicht und erinnerte uns daran, dass wir erst wenige Tage zuvor von dort mit dem Kajak gestartet sind, um den Fjord komplett zu erfahren.
Etwas Abgeschiedenheit kann man finden, wenn man auf die Felsen über dem Preikestolen kraxelt. Dort trauen sich nicht so viele Menschen hinauf und es kommt manchmal sogar ein Flair von Einsamkeit auf. Aber schaut man sich den erodierten Boden an, dann weiß man, dass dies nur ein kurzer Moment des Alleinseins war. Hier laufen täglich mehrere tausend Schuhe drüber. Das sieht man leider schon auf der gesamten Wegführung.

Landschaftserkundung auf dem Rückweg

Nur weil ich vorher wusste, dass wir den gleichen Weg zurück laufen würden, konnte mich der Ehrgeiz packen, den Preikestolen so schnell zu erklimmen. Beim Wandern geht es mir doch im Grunde darum, die Landschaft um mich herum zu beobachten, Details zu sehen, die einem sonst verborgen bleiben, und einfach den Moment zu genießen.
Der Badesee ist uns zum Beispiel auf dem Hinweg gar nicht aufgefallen. Und die Pause auf halbem Weg runter, war eine Wohltat für meine Sinne. Einfach nur Nüsschen futtern und der Natur lauschen, die Sonne auf der Nase.

 

Am Parkplatz angekommen, schauten wir uns noch im Souvenirlädchen um und staunten nicht schlecht, dass man sich eine Urkunde kaufen konnte, wenn man oben gewesen ist… Sachen gibt’s.
Da alle 30 Minuten ein Bus Richtung Fähre abfuhr, war es im Grunde egal, welchen Bus wir nahmen – mit unserem Kombi-Ticket war jede Fahrt möglich.
Glücklich und zufrieden setzten wir uns in den nächstbesten und ließen uns zurück nach Stavanger kutschieren. Diesen Komfort kann man nach der Tour gut gebrauchen. Auf der Fähre bin ich fast eingeschlafen.

Nützliche Infos

♥ bei eigener Anreise: der Parkplatz kostet ca. 12,30 € pro PKW (Motorräder zahlen fast 4 €)
♥ das Kombi-Ticket kostet ca. 30 €
♥ man kann auch auf dem 4km entfernten Campingplatzcampen. Allerdings ist die Strecke zum Startpunkt der Wanderung gar nicht schön zu laufen, weil es nur an der Straße selbst möglich ist. Der Bus hält aber auch am Campingplatz und bringt euch bis zum Ausgangspunkt
♥ Wildcampen ist im Bereich des Preikestolen nicht erlaubt (und vom Gelände her auch nur begrenzt möglich)
♥ Direkt am Ausgangspunkt ist eine Berghütte, auf der man auch übernachten kann
Dieses Abenteuer wurde unterstützt von InnovationNorwayund RegionStavanger

10 Kommentare zu “Noch mal schnell zum Preikestolen: Quasi-Trailrunning zur norwegischen Felskanzel

    1. Auf jeden Fall! Sie ist so mega vielseitig! Ich hätte vorher nicht gedacht, dass es im „Süden“ Norwegens so fantastisch ist und es so viele Möglichkeiten gibt, sich auszupowern! Und – Norwegen bleibt einfach Norwegen bleibt einfach gut! :)

      Lieben Gruß!

  1. Wahnsinn, in einer Stunde da hoch! Der Preikestolen ist einfach atemberaubend, egal wieviel Menschen sich auf dem Weg und auf den Felsen tummeln. Wobei auch die Fahrt mit der Fähre zum Ende des Lysebotten absolut empfehlenswert ist.

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